Geschichte Siebenbürgens
Das von den Karpaten umschlossene Siebenbürgen (Transsilvanien) – es gehört seit 1918 zu Rumänien – war im Laufe seiner bewegten Geschichte Dreh- und Angelpunkt zwischen Ost und West. Siebenbürgen liegt am Fuße der Südkarpaten im Zentrum des heutigen Rumänien. Diese naturräumliche Einheit wurde früh im Mittelalter besiedelt und in größere geografische Zusammenhänge eingespannt, die diese Region seit alters zu einem der wichtigsten Durchgangsgebiete Ostmitteleuropas werden ließen.
Wegen ihrer strategisch bedeutsamen Lage errichteten die Landesherren während des 12. und 13. Jahrhunderts Burganlagen, die der Verteidigung der südlichen Landegrenze dienten. Einige dieser Anlagen sind heute noch als Ruinen erhalten, die bekanntesten sind die Repser und Keisder Burg sowie die Landskrone bei Talmesch.
Um die Wirtschaft in dem damals dünn besiedelten Land zu fördern und die Landesgrenzen zu schützen, rief der ungarische König Siedler aus dem Deutschen Reich, überwiegend vom Niederrhein, ins Land. Sie gaben dem Land, schon damals Transsilvanien genannt, eine eigene Bezeichnung: Siebenbürgen. Der Name wird von der Zahl Sieben und den Burgen als Vororte der Verwaltungsbezirke abgeleitet. Die Bezeichnung das „Alte Land“ geht wohl auf die erste Ansiedlungsphase um die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Den Siedlern wurden Rechte zugestanden, die ihnen eine fast vollständige politische, wirtschaftliche, kirchliche und kulturelle Selbstverwaltung sicherten.
Zum Hauptort aller deutschen Siedlungsgebiete dieses Landstrichs stieg im 13. Jahrhundert Hermannstadt auf. Die Siebenbürger Sachsen, wie die Siedler bezeichnet wurden, haben einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen, kulturellen und zivilisatorischen Prosperität geleistet.
Bis 1526 gehörte Siebenbürgen zum mittelalterlichen Ungarn, bis 1687 war das Fürstentum unabhängig mit Duldung des Osmanischen Reiches. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte die Reformation. Seit 1687 bis 1867 unterstand es unmittelbar der Krone in Wien. Ab 1867 wurde es dem ungarischen Teil der Doppelmonarchie einverleibt. 1920, nach der Zerschlagung Österreich-Ungarns, fiel Siebenbürgen durch den Friedenschluss von Trianon an Rumänien.
In der wechselvollen Geschichte, in der Siebenbürgen Jahrhunderte lang unter Ungarn, Osmanen, Österreichern und Rumänen als beispiellose Einheit und als konfessionelle Vielfalt der Völker und Religionen behandelt worden war, brachte der Zweite Weltkrieg eine Zäsur. Als Ergebnis des Wiener „Schiedsspruchs“ von 1940 wurde das Land geteilt: Nordsiebenbürgen kam unter ungarische Herrschaft, der südliche Teil blieb bei Rumänien. Dadurch wurde auch das sächsische Siedlungsgebiet geteilt. Der weitaus größere Teil der Siebenbürger Sachsen blieb bei Rumänien, das Nösner- und das Reener Land fielen an Ungarn. Bald darauf rückten deutsche Soldaten ins Land. Rumänien mit seinem Öl, dem Weizen und seiner strategischer Lage war kriegswichtig für das Dritte Reich, aber auch Russland schielte auf die Gebiete um den Karpatenbogen.
Nach 1944 kam Nordsiebenbürgen an Rumänien zurück, im Land breitete sich die kommunistische Herrschaft aus. Im Januar 1945 erfolgte, unter dem Vorwand der Mitschuld am Krieg, die Deportation der arbeitsfähigen Deutschen in die Sowjetunion. Kurz darauf wurden die sächsischen Bauern, Handwerker, Industriebetriebe und deren Bauten enteignet. Den Deutschen wurden zeitweilig sogar die staatsbürgerlichen Rechte aberkannt. Die im Land Verbliebenen waren politisch rechtlos und der örtlichen Willkür ausgesetzt. Binnen weniger Jahre wurde die soziale Struktur der deutschen Minderheit durch die forcierte Industrialisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft bewusst zerschlagen.
Damit wurde die wichtigste Grundlage ihrer Identität, die über acht Jahrhunderte von Toleranz und Achtung den anderen Ethnien und Konfessionen gegenüber gekennzeichnet war, zerstört. Es folgte eine formale Gleichberechtigung im kommunistischen Rumänien, die aber darüber hinaus, keinen Freiraum zur Entwicklung ihrer Identität ermöglichte. Nur im Schulwesen ließ der Staat Unterricht in deutscher Sprache zu.
Später kam dann, obwohl in Siebenbürgen nur im Ansätzen verwirklicht, das „Systematisierungsprogramm“ des Diktators Ceauşescu hinzu. Zudem strebten die Machthaber eine Assimilierung der nichtrumänischen Minderheiten an. Diese Assimilierungsbestrebungen waren für die Deutschen verheerend. Nach der politischen Wende vom Dezember 1989 verließen sie ihre angestammte Heimat und retteten sich in ihre „Urheimat“, um ihrem Wunsch gemäß als Deutsche unter Menschen gleicher Sprache zu leben und nicht mehr das Gefühl haben, wie Fremde in der eigenen Heimat geduldet zu sein.
Dadurch sind nicht nur die künftige Präsenz und Existenz der Sachsen in Siebenbürgen fragwürdig geworden, sondern auch die Möglichkeiten der verbliebenen und erheblich geschrumpften Gemeinschaften, ihre jahrhundertealten kulturellen Einrichtungen weiter zu erhalten. Die kontinuierliche Anwesenheit deutscher Siedler in dieser Region hat ein Kulturerbe geschaffen, das durch den Massenexodus in seinem Fortbestand bedroht ist.
Text: Martin Rill